Greenwashing passiert nicht nur in der Mode. Auch im Naturkosmetik-Bereich versuchen sich Hersteller umweltbewusster und natürlicher darzustellen, als sie es in Wirklichkeit sind. Gastautorin Jennifer Ann Steinort zeigt auf, dass nicht alles so grün ist, wie es uns gerne weis gemacht wird.
Viele Konsumenten sind sich einig: Grün gehört an die Macht. Daher boomt auch der Naturkosmetikmarkt.
Kein Wunder, denn damit kann bedenklichen Inhaltsstoffen, die sich in vielen Produkten von namhaften Herstellern befinden, aus dem Weg gegangen werden.
Aber auch Anbieter von weniger grünen Produkten möchten ein Stück von dem Kuchen abhaben und überschwemmen den Markt mit vermeintlich naturbelassener Kosmetik.
Aber halten große Marken wie Rituals und Co. tatsächlich das, was sie versprechen? Wir haben die Ergebnisse von Ökotest in Bezug auf zwei Hersteller und deren Produkte näher unter die Lupe genommen und zeigen, was passiert, wenn Kunden enttäuscht sind.
Naturnahe Kosmetik – die Lüge der „grünen“ Hersteller
Ökotest kommt zu einem klaren Ergebnis: Was einige Hersteller uns anbieten, ist in vielen Fällen nicht das, für was wir es halten. Mit gebetsmühlenartigen Werbeaussagen werden Konsumenten anscheinend bewusst auf einen völlig falschen Weg gebracht.
Auch Großkonzernen ist längst klar geworden, dass Kunden gesundheitsbewusster und umweltbewusster denken. Interessierte sind auf der Suche nach Produkten, die bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehört, dass sie größtenteils aus pflanzlichen Inhaltsstoffen bestehen.
Beim näheren Hinsehen wird allerdings klar: Hinter den Marketingstrategien stecken nicht selten Listen mit Inhaltsstoffen, die mit dem grünen Bewusstsein nur noch wenig zu tun haben.
Geht die Marke Lush zu lasch mit Inhaltsstoffen um?
Lush ist beliebt aber nicht durchweg grün. Zu dem Ergebnis kommt Ökotest in ihrer Analyse beliebter Marken mit grünem Image.
Die Webseite des britischen Herstellers ruft zu mehr Umweltbewusstsein und sozialem Engagement auf. Außerdem bietet der Hersteller zudem – nach eigenen Angaben – ausschließlich tierversuchs- und palmölfreie Produkte an. Auch vegetarisch sollen sie sein.
Dass der erste Eindruck, trotz der riesigen Werbemaschinerie, im Nachhinein trotzdem einen faden Beigeschmack erhalten kann, zeigt Ökotest mit der Untersuchung des Lush Daddy-O Shampoos.
Ergebnis: Das eingefärbte Shampoo enthält bedenkliche Parabene, Tenside, die auf PEG basieren, Anilin und Isoeugenol. Aus diesem Grund bekam das Produkt bereits im Ökotest Jahrbuch 2017 die Note „ungenügend“.
Auf der Webseite sind noch immer die gleichen Inhaltsstoffe abgebildet, weshalb sich an der Testnote wohl auch jetzt nicht rütteln lässt.
Interessant ist, dass neben der Liste mit Inhaltsstoffen natürliche Komponenten abgebildet sind. Ob diese wohl von den bedenklichen Substanzen ablenken sollen? Auf jeden Fall wird hier mit dem Zusatz: „Voll mit Veilchenextrakt und frischem Zitronensaft“ suggeriert, dass es sich um ein recht naturbelassenes Produkt handelt.
Gefährliche Pflegerituale mit Rituals?
Auch die Marke Rituals ist in vielen Badezimmern anzutreffen. Kunden schätzen insbesondere den Duft und verbinden den Hersteller mit Wellness.
Laut Ökotest enthalten die Produkte „Peeling The Ritual of Ayurveda Rejuvenating Pink Salt Scrub“ und “The Ritual of Sakura Magic Touch Body Cream” allerdings Lilial. Die Substanz kann Kontaktallergien auslösen und hat in Tierversuchen gezeigt, dass sie fortpflanzenschädigend sein kann.
Und auch hier fällt auf: Die Webseite zeigt viele Bebilderungen, die Kunden wahrscheinlich mit der Natur in Verbindung bringen. Meer, Pflanzen und Rosenblätter – das unterstützt nicht nur den Wellnessgedanken, sondern füttert auch den Glauben an ein natürliches Produkt.
Verärgerte Kunden: Wenn Naturmarken übernommen werden
Viele Kunden sind zu Recht darüber verärgert, dass sich hinter vermeintlich naturbelassener Kosmetik Produkte verstecken, die in Wahrheit bedenkliche Inhaltsstoffe beinhalten.
Noch größer ist der Ärger, wenn etablierte und beliebte Naturkosmetikmarken den Besitzer wechseln.
So geschehen bei Logocos: Damit gehören auch Marken wie Sante, Fitne, neobio und Logona nun zu L’Oréal.
Das führte dazu, dass Biomärkte die entsprechenden Produkte aus ihrem Regal verbannten. Beispielsweise die Biomarktkette Vollcorner mit 17 Filialen verzichtete auf den Verkauf von Logocos und deren Untermarken, auch wenn das bedeutet, dass Umsatzeinbußen drohen.
Auch Kunden verschmähten die ehemals beliebten Artikel, da sie sich mit dem Unternehmensimage von L’Oréal nicht anfreunden möchten.
Warum Kunden den Aufkauf nicht hinnehmen
Warum ehemalige Unterstützer einer aufgekauften Marke dem Produkt nicht mehr treu bleiben möchten, hat viele Gründe. Einer der wichtigsten Kritikpunkte ist sicherlich, dass Hersteller wie L’Oréal immer noch Tierversuche vorweisen müssen, um eigene Produkte in China anbieten zu können. Laut eigenen Angaben kämpft der Hersteller aber seit vielen Jahren dafür, dass alternative Testmethoden in China anerkannt werden. Seit 2014 soll es angeblich keinen Zwang mehr zu Tierversuchen hinsichtlich Shampoos, Make-up und Duschgelen geben.
Die Naturkosmetiklinie von L’Oréal ist komplett tierversuchsfrei, was Menschen mit Interesse am Tierwohl aber nicht immer restlos von dem Unternehmen überzeugt. Zudem zweifeln sie daran, ob Naturkosmetikprodukte in Händen von großen Konzernen tatsächlich auch zukünftig ohne Tierversuche auskommen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass L’Oréal mit Nestlé in Verbindung steht. Immerhin ist Nestlé an dem Großkonzern mit einem Anteil von 23 % beteiligt. Zuletzt haben der Wasserskandal und die Palmölaffäre hohe Wellen geschlagen.
Warum Konzerne Interesse an Naturkosmetik haben
Da stellt sich die Frage, warum Großkonzerne – wenn sie doch häufig eine andere Sicht auf die Dinge haben – an Naturkosmetikmarken interessiert sind.
Tatsächlich haben die Konzerne vor einigen Jahren selbst versucht, Naturkosmetiklinien auf dem Markt zu etablieren. Durch ihr Image gelang das aber nicht so gut, wie erhofft.
Daher setzen Großunternehmen jetzt auf altbewährte und beliebte Marken, die sich bereits einen guten Ruf erarbeitet haben.
Es gibt sie: die echte Naturkosmetik
Auch wenn es vielen Kunden so vorkommen mag, als wenn nach und nach jede Naturkosmetikmarke aufgekauft werden würde, gibt es noch eine große Anzahl von Herstellern, die nicht nur über gute Inhaltsstoffe, sondern auch über ein positives Unternehmensimage verfügen.
Echte Naturkosmetik mit guten Inhaltstoffen ist noch relativ einfach zu finden, selbst in den Drogerien vor Ort. Spezielle Siegel wie das von NATRUE geben Kunden sofort den Hinweis darauf, dass hier hochwertige und naturbelassene Inhaltsstoffe verarbeitet sind. Hier findest du die wichtigsten Siegel für Naturkosmetik.
Zudem verzichtet zertifizierte Naturkosmetik auf Tierversuche. Darüber hinaus unterstützen viele Hersteller von Naturkosmetik soziale Projekte und eine faire Bezahlung, auch von kleinen Landwirten.
Auskunft über echte Naturkosmetik können auch Apps wie Codecheck geben. Damit können mit bedenklichen Inhaltsstoffen versetzte Produkte von Rituals und Co. schnell ausfindig gemacht und von der Einkaufsliste aussortiert werden.
Fazit:
Es ist nicht immer alles grün, was glänzt.
So oder so ähnlich könnte der Slogan vieler Produkte heißen, die sich marketingwirksam auf die grüne Seite stellen. Für Kunden heißt das Inhaltsstoffe vergleichen und nicht jedem Versprechen der großen Hersteller glauben. Auch Ökotest hat herausgefunden, dass Marken wie Lush oder Rituals teilweise bedenkliche Inhaltsstoffe verarbeiten.
Auf der sicheren Seite sind Kunden, die auf spezielle Siegel wie NATRUE achten. Sie werden nur ausgewählten Produkten verliehen, die auf naturbelassene Inhaltsstoffe setzen. Wer keine Tierversuche unterstützen möchte, kann sich mithilfe der PETA-Liste absichern.
Jennifer Ann Steinort ist Diplom Gesundheitsökonomin und Kinderpflegerin. Als freiberufliche Medizinjournalistin schreibt sie für Magazine im Online- und Printbereich. Am liebsten verfasst sie Artikel zu Themen, die Menschen bewegen und sie motivieren, etwas für ihre Gesundheit zu tun.
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